2021 11 25 Fahrtensegeln

Michèle berichtet!

Während meiner Nachtschicht höre ich einige Funksprüche zwischen Segelbooten in unserer näheren Umgebung. Sie müssen nahe sein, sonst könnte ich sie nicht hören. Und aus einigen geht hervor, dass auch deren AIS nicht sendet, sprich, das angefunkte Boot kann auf seinem AIS-Monitor das funkende Boot nicht ausmachen. Wir sind also nicht die Einzigen, die dieses Problem haben!

Das ist dann aber auch schon das Aufregendste während meiner Schicht, außer noch ein paar kleineren Kurskorrekturen. Der Wind bleibt beständig und weht auch in Chrischans Schicht bei ca. 17 kn, so dass wir die ganze Zeit gemütlich mit dem Parasailor segeln können. So besteht das heutige Etmal aus 143 nm während das des ersten Tages aus lediglich 46,6 nm bestand! So könnte es weiter gehen.

Am Morgen wache ich, wie schon die letzten Tage auf See, mit Kopfschmerzen auf. Ob das der Cocktailentzug ist? Habe ich nicht genug Wasser getrunken? Allerdings hatte ich gestern darauf geachtet genug zu trinken und habe jetzt trotzdem Kopfschmerzen, wenn auch etwas weniger. Da Chrischan bis jetzt jede Nacht mit 750 Watt (nicht Milliwatt!!!) gefunkt hat, um die Wetterdaten, E-Mails u.s.w. abzurufen, befürchtet er, dass ich jetzt auch, wie eine Freundin von uns, elektrosensitiv sei. DAS hoffe ich nicht, denn das braucht kein Mensch! Heute werde ich mal Wasser saufen wie ein Kamel und dann schauen wir mal. Und wenn ich morgen dann immer noch Kopfschmerzen habe, werden wir das Funken über Nacht einmal aussetzen!

Während ich gemütlich meinen Kaffee süffele riecht es plötzlich nach Waschmittel! Hä??? Hat da ein vor Stunden entlangfahrendes Boot seine Waschmaschine entleert? Gibt es tausende Meilen entfernt an Land eine Waschmittelfabrik? Unser Seifenpulver steht jedenfalls nach wie vor am selben Ort und ist nach wie vor in seiner Verpackung. Oder spinne ich jetzt komplett? Chrischan riecht natürlich gar nichts.

Eben bringt er wieder die Angelleine aus - pünktlich zu der Zeit, ab der es angeblich ziemlich sinnlos sei. Ich glaube insgeheim möchte er gar keinen Fisch fangen - ich sowieso nicht! :-)

Ich lese gerade das Buch "Couch Sailing" von Timo Peters, Anhalter zur See, das uns empfohlen wurde, nachdem wir von dieser Hitchhikerszene noch nie etwas gehört hatten. Es liest sich wirklich gut. Ein Aha-Erlebnis gibt es jedes mal, wenn er Orte beschreibt, an denen wir schon einmal waren. So erzählt er bspw. von der Sailors Bay Bar in Las Palmas, wo wir auch so manches Mal eingekehrt sind. Aber der Klopper ist dann doch die Erwähnung von René! Von dem er für 20 €/Tag eine alte Klapperkiste gemietet hat. Seit 8 Jahren hat er also seine Preise nicht erhöht! René ist dort schon fast sowas wie eine Institution! Danke für diesen Lese-Tipp!

Gegen 15:00 lässt der Wind nach und die schon für viel früher gemeldete Flaute macht sich breit. Wir trinken gemütlich eine Tasse Kaffee resp. Tee mit einem Stück Kuchen, da heute Seemannssonntag ist. Donnerstags ist Seemannssonntag, alte Marinetradition. Und plötzlich meinen wir den Blas von Walen zu hören. Ja, ein Wal! Nein, noch einer. Und noch einer. Leider sehen wir nicht besonders viel von diesen Tieren. Gleich drauf kommen uns wieder Grindwale besuchen. Leider sind wir nicht ganz so interessant wie damals in der Biskaya, da wir keine Fahrt machen - also das interpretiere ich jetzt mal so. Sie schwimmen etwas um uns rum, kommen auf uns zu, aber nicht so euphorisch wie beim letzten Mal. Und als wir sie so beobachten, taucht direkt neben dem Boot eine große Schildkröte auf! Sie reckt den Kopf einmal sehr weit aus dem Wasser um Luft zu schnappen und geht dann leider auf Tauchstation. Nachdem jetzt Wale, Schildkröte und Wind weg sind, bergen wir das Segel und schalten den Motor mal wieder an. Anderthalb Stunden später haben wir wieder 8 kn Wind und wir setzen den Parasailor erneut. Viel bringt es zwar nicht, aber ewig motoren können wir ja auch nicht.

 

[Fotos Wale u Schildkröte folgen in St. Lucia]

© 2020 C. Fuhrmann